DFB/NOFV 01. 03. 2021

Kernbotschaften des Briefes von Fritz Keller an die Bundeskanzlerin und ein Interview

Es gibt eine weitere Initiative des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), um den Amateursport schrittweise zu öffnen. Nach dem offenen Brief von Fritz Keller und dem 1. DFB-Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch an die 24.500 Fußballvereine in Deutschland sowie dem öffentlichen Appell der Landespräsidentenkonferenz hat sich der DFB-Präsident per Brief an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und verschiedene Bundesminister*innen gerichtet. Darin unterstreicht er die gesellschaftliche Bedeutung des Breitensports und den Wunsch, wieder sportliche Aktivitäten in den Vereinen zuzulassen. Zudem gab Keller ein Interview:

"Die Kernbotschaften

Der Fußball unterstützt die Politik.

Der Fußball hat sich von Anfang an hinter die von der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten getroffenen Beschlüsse zur Einhaltung von Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen während der Corona-Krise gestellt. Der Fußball ist der Politik darüber hinaus dankbar, dass dem Profifußball (Berufsfußball) bereits seit vergangenem Jahr ermöglicht wird, seine Spiele auszutragen. Durch die breite Verankerung des Fußballs in der Gesellschaft kann er mit dazu beigetragen, eine weiterhin hohe Akzeptanz in der Bevölkerung für die Maßnahmen zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 zu erreichen.

Die Hygienekonzepte im Amateurfußball haben sich bewährt.

Der Fußball hat im bisherigen Verlauf der Corona-Krise erfolgreich gangbare Wege aufgezeigt, wie eine Wiederaufnahme des Trainings- und später auch Spielbetriebs verantwortungsvoll umgesetzt werden kann. Dies gilt auch für den Amateurbereich. Grundlage sind gute Hygienekonzepte, die während des Trainings- und Spielbetriebs im Sommer und Herbst 2020 flächendeckend umgesetzt wurden.

Das Infektionsrisiko bei Spiel und Training ist sehr gering.

Bisher gibt es keine nachgewiesenen Infektionen während eines Fußballspiels oder Fußballtrainings im Freien. Das geringe Infektionsrisiko während eines Fußballspiels bestätigen auch neueste wissenschaftliche Untersuchungen. In einer gemeinsamen Studie der Universität des Saarlandes und der Universität Basel (Untersuchungszeitraum: August bis Dezember 2020) wurden mehr als 780 Partien aus Profiligen und dem Amateurbereich mit mindestens einem SARS-CoV2-verdächtigen Spieler analysiert. Ziel war - neben der Erfassung infektiöser Spielerinnen und Spieler in Spiel oder Training - eine Einschätzung des individuellen Infektionsrisikos für die Beteiligten. Dabei konnte nur in einem Fall eine Infektion mit SARS-CoV-2 während eines Spiels nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Außerhalb des Spielfelds kam es im Fußball vor dem Lockdown nur vereinzelt, aber bundesweit betrachtet zu keinem nennenswerten Infektionsgeschehen.

Der Lockdown bedeutet eine große Belastung und Gefahr für den Amateursport.

Durch die erneuten Kontakt- und Bewegungsbeschränkungen seit Ende Oktober 2020 steht der Fußball in seiner Breite mittlerweile vor der größten Herausforderung seiner Geschichte. Die Vereine haben sich dank der Treue der meisten Mitglieder und kreativer Angebote bisher als robust erwiesen. Bei anhaltendem Sportverbot drohen jedoch immer stärker Mitgliederschwund, der Rückgang ehrenamtlichen Engagements und eine existenzbedrohende Finanzlage.

Kinder und Jugendliche gehören zu den am stärksten von den Beschränkungen betroffenen Bevölkerungsgruppen. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts sind 7,3 Millionen Mädchen und Jungen im Alter von 0 bis 18 Jahren Mitglied in einem Sportverein, allein 2,1 Millionen (29,5 Prozent) davon in einem Fußballverein.

Das Sportverbot im Verein schadet der Gesundheit - körperlich und psychisch.

Der Bewegungsmangel und die fehlenden sozialen Kontakte im Verein während des zweiten Lockdowns haben nachweislich dazu beigetragen, dass über 30 Prozent der Kinder- und Jugendlichen während der Pandemie psychische Auffälligkeiten aufweisen.

Das Fußballspielen und der regelmäßige Kontakt zu Gleichaltrigen leistet einen großen gesundheitsfördernden und sozialen Beitrag zum körperlichen und psychischen Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen. Die gleichen Effekte gelten für Erwachsene. Daher sollten Kinder und Jugendliche möglichst bald wieder zurück auf den Platz - unter klarer Beachtung der nötigen Vorgaben und strikter Einhaltung der Hygienekonzepte.

Aufgrund der nachgewiesen sehr geringen und zudem sehr kurzen Kontakte beim Fußballspielen ist ein stufenweiser Einstieg in den Trainingsbetrieb nicht erforderlich. Ein Mannschaftstraining wird auf dem Spielfeld als durchführbar und verantwortbar angesehen. Andere Einschränkungen wie ein anfängliches Nutzungsverbot von geschlossenen Räumen (Umkleiden, Duschen) sind in der ersten Stufe der Rückkehr akzeptabel und wurden auch nach dem ersten Lockdown im vergangenen Jahr von den Vereinen gewissenhaft umgesetzt."

Bekanntlich hatte sich auch der Thüringer Fußball-Verband (TFV) durch seinen Präsidenten Udo Penßler-Beyer und Geschäftsführer Thomas Münzberg vor kurzem in einem vertraulichen Brief an Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und Sportminister Helmut Holter gewandt.

Keller: "Unsere Millionen Spieler*innen benötigen eine Perspektive"

Außerdem veröffentlicht der DFB ein Interview mit Fritz Keller. Er erläutert hier die Haltung des DFB zu einer Rückkehr des Amateurfußballs in den Sportbetrieb und seinen diesbezüglichen Brief an Kanzlerin Dr. Angela Merkel.

„DFB.de: Herr Keller, Sie haben sich in den vergangenen Wochen verstärkt auch öffentlich für eine Rückkehr vor allem von Kindern und Jugendlichen auf den Fußballplatz eingesetzt und nun vor der anstehenden Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschef*innen der Länder einen Brief an Angela Merkel geschrieben.

Fritz Keller: Unsere Millionen Spieler*innen, denen wir eine starke Stimme geben wollen, benötigen wie alle Aktiven aus anderen Sportarten eine Perspektive. Kinder und Jugendliche sind in die Schulen zurückgekehrt, was ein wichtiger Schritt ist, damit nicht eine ganze Generation abgehängt wird. Daneben wird es maßgeblich sein, dass sie wieder gemeinsam Sport treiben dürfen. Verantwortungsvoll, mit Hygienekonzept - so, wie es nachweislich schon nach dem Restart im vergangenen Sommer funktioniert hat. Es geht mir dabei nicht um den Fußball allein, sondern um den gesamten organisierten Breitensport. Vor allem Kinder und Jugendliche leiden derzeit nachweislich unter Bewegungsmangel und fehlenden sozialen Kontakten. Der organisierte Sport kann hier sehr helfen. Ich bin mir sicher, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso wie die Ministerpräsident*innen der Länder um die herausragende Bedeutung des Sports und unserer Vereine für die Gesellschaft weiß.

DFB.de: Wie steht es um die Fußballvereine in Deutschland?

Keller: Wir sind gerade dabei, mithilfe einer Umfrage ein umfassendes Meinungsbild aus dem Amateurfußball einzuholen. Mehr als 100.000 Menschen haben sich daran beteiligt, allein das zeigt schon, wie stark der Amateurfußball bewegt. Die Ergebnisse werden nun ausgewertet und in der kommenden Woche vorgestellt. Es zeichnet sich sehr deutlich ab, dass unsere mehr als sieben Millionen Mitglieder neben dem aktiven Fußballspielen vor allem die Gemeinschaft in ihren Vereinen massiv vermissen. Dass ihnen der gesamte Amateurfußball fehlt - und was ihn so einzigartig macht. Dass sie aber auch in diesen ungewissen Zeiten ihren Klubs mit großer Mehrheit treu bleiben und sehnsüchtig darauf warten, endlich wieder auf den Platz zu können oder ihre Kinder zum Training zu bringen. Für sie und gemeinsam mit ihnen wollen wir die Freude am Fußball zurückbringen - auch im Sinne der allgemeinen Gesundheitsförderung.

DFB.de: Angela Merkel hat gerade den umfassenden Einsatz von Schnelltests in Aussicht gestellt, um sich künftig möglicherweise "freitesten" zu können, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat kostenlose Tests angekündigt. Verstärkte Testungen waren ein zentrales Element Ihres Fünf-Punkte-Plans vom Mai vergangenen Jahres. Warum setzen Sie sich so dafür ein?

Keller: Weil ich glaube, dass dies der schnellste und effektivste Weg ist, zurück in unser normales Leben zu finden. In allen Bereichen, ob Sport, Kultur, Gastronomie oder Handel. Die Möglichkeit der regelmäßigen Testungen haben wir, während wir auf andere Maßnahmen noch länger warten müssen. Wir sollten sie nun auch konsequent nutzen. Deshalb begrüße ich diesen Vorstoß sehr und freue mich, wenn in der gesamten Gesellschaft endlich, wie es im Profifußball bereits sehr erfolgreich getan wird, häufiger und strategischer getestet wird. Das Risiko, sich auf dem Platz anzustecken, ist äußerst gering. Das hat Prof Dr. Tim Meyer als Leiter der Medizinischen Kommissionen des DFB und der UEFA erneut bestätigt - auf Grundlage einer Untersuchung, die von August bis Dezember 2020 durchgeführt wurde.

DFB.de: Was erhoffen Sie sich von der Konferenz am Mittwoch?

Keller: Dass der Sport die Chance erhält, noch stärker dazu beitragen zu können, dass wir gemeinsam durch diese schwere Zeit kommen.“

 

DFB/Hartmut Gerlach