Schiedsrichter 30. 12. 2020

Schiedsrichter der Thüringenliga im Porträt (10)

Unser Anliegen ist es, die 25 Referees dieser Spielklasse in den nächsten Wochen in unregelmäßigen Abständen vorzustellen. Beginnen wollen wir mit den Unparteiischen, die aufgrund ihres Alters in die „erste Elf“ gehören. Diesen Teil schließen wir heute mit Nummer 10 ab, da ein Unparteiischer keine Vorstellung wünschte.

Demnächst folgt die „mittlere Generation“ der Thüringenliga-Schiedsrichter.

Heute (10): Pierre Leitschuh – Schiedsrichtertätigkeit half über schwierige Lebensphase hinweg

Dass es in diesen Corona-Monaten Wichtigeres gibt als den Fußball, wird uns auf vielen Ebenen tagtäglich schmerzlich bewusst. Aber die Sportart, die wir, sei es als Aktiver oder als Funktionär, mit unterschiedlichen Aufgaben  im Ehrenamt betreiben, kann einem auch über manch schwierigen Lebensabschnitt hinweghelfen.

So geschehen bei Pierre Leitschuh. Der damals 24-Jährige war im Dezember 2000 nach einem Hallenturnier in einen schweren Verkehrsunfall, der die Südthüringer Gemeinde Barchfeld/Werra in eine Schockstarre versetzte, verwickelt. Doch Leitschuh, damals schon seit zehn Jahren Schiedsrichter und seit 1998 in der Landesklasse eingesetzt, überwand den Schicksalsschlag und kehrte als Unparteiischer 2004 wieder auf die Thüringer Sportplätze zurück. Dabei half ihm die Schiedsrichtertätigkeit. „Ohne sie hätte ich nicht das Selbstbewusstsein gehabt, wieder in die Öffentlichkeit zu gehen. Sie hat mir geholfen. Ich habe immer daran geglaubt, dass das nicht alles war und es weitergehen muss, habe nach vorn geschaut und positiv gedacht. Dabei bin ich nie in Selbstmitleid zerflossen“, sagt er über eine sehr schwierige Lebensphase, an die heute noch Narben erinnern.

Pierre Leitschuh war gerade einmal 14 Jahre, da konnte ihn Opa Dieter Luck dazu bewegen, eine Schiedsrichterausbildung zu absolvieren. Luck ist dem Verfasser, einem ehemaligen Barchfelder, als engagierter Nachwuchsleiter bei der damaligen BSG Motor noch heute in bester Erinnerung. „Damit konnte ich dem Verein sicher mehr helfen als wenn ich Fußballer geblieben wäre“, denkt der neu gewonnenen Unparteiische heute über diesen Schritt.

Rasch erklomm Leitschuh, der noch bis zum 18. Lebensjahr selbst Fußball spielte, die Karriereleiter über die Stufen Kreisliga (1994), Bezirksliga (1995) und, wie schon erwähnt, Landesklasse (1998). Zu jener Zeit gab es gerade mal 32 Schiedsrichter für die zweithöchste TFV-Spielklasse und nur 18 für die Landesliga. „Die Schiriansetzungen kamen mit der Post“, erinnert sich unser Gesprächspartner.

2004 dann das Comeback. Nur zwei Jahre später, 2006, gehört er zu den 22 Referees der Eliteliga Thüringens. Sein erstes Spiel war die torreiche Begegnung zwischen Blau-Weiß Niederpöllnitz und Wacker Gotha (4:5) am 19.08.06 mit Oswin Bernhardt und Lutz Specht als Assistenten. 2012/13 zählte er darüber hinaus zu den Thüringer Referees in der Oberliga, eine Spielklasse, die ihn auch zum Mann an der Linie in der Regionalliga beförderte.

Im Gedächtnis bleiben Derbys wie ZFC Meuselwitz gegen SV Altenburg als Assistent bei Horst Ritz und 1999 FC Sonneberg gegen SV 08 Steinach vor über 3.500 Zuschauern als Assistent von Sandy Hofmann. Nicht vergessen hat er die Regionalliga-Begegnung RB Leipzig gegen VfB Halberstadt und das selbst geleitete Eröffnungsmatch in der Thüringenliga 2010 Union Mühlhausen gegen SC Leinefelde vor 650 Besuchern. Gern denkt Leitschuh an das Freundschaftsspiel Fortuna Kaltennordheim gegen Energie Cottbus mit Tomislav Piplica und Petrik Sander als Trainer oder die Auftritte von Carl Zeiss Jena und Rot Weiß Erfurt bei heimatnahen Freundschaftsspielen.

Bei wie viel Spielen er als Schiedsrichter oder Assistent dabei war, weiß der 44-Jährige, der in knapp drei Wochen 45 wird, nicht genau, da er kein Buch führt. „Ich komme aber wohl auf 60 Spiele pro Jahr“, schätzt er. In denen hat er stets seine Stärken eingebracht. Dazu zählt er selbst seine Erfahrung und das selbstbewusste Auftreten gepaart mit einer gewissen Ruhe und Gelassenheit auch in Stresssituationen. „Ich werde von den Spielern und Trainern akzeptiert. Es ist wichtig, mit den Akteuren zu reden. Allerdings nicht zu viel. Weniger ist manchmal mehr“, erläutert er seine Prinzipien auf dem Spielfeld und fügt hinzu, „ich weiß, dass die Vereine vom Schiedsrichter nichts geschenkt bekommen wollen, sie möchten nur nicht benachteiligt werden.“

Auch athletisch kann er mithalten. Fit hält er sich durch zweimalige Läufe in der Woche. Wenn die Tests bei den Schiedsrichterlehrgängen anstehen, intensiviere er den Aufwand, sagt er.

Auch nach seiner Zeit als Schiedsrichter der Thüringenliga, der er noch drei Jahre erhalten bleibt, will er sich weiter im Fußball einbringen. Gegenwärtig gehört er dem Vorstand des ältesten Südthüringer Fußballvereins, des FC 02 Barchfeld, an. Welche weiteren Ehrenämter er ausfüllen wird, ist noch nicht klar. Als drittältester Schiedsrichter der Thüringenliga kann er jedoch schon jetzt jungen Leuten, die in seine Fußtapfen treten wollen, diese Motivationshinweise mit auf den Weg geben: „Zum einen lernt man viele Dinge, die für das  Leben und den Beruf nützlich sind. Als Schiedsrichter benötigt man Durchsetzungsvermögen, Selbstbewusstsein und Teamfähigkeit. Man gewinnt an Entscheidungskraft, bekommt Menschenkenntnis und hat viele soziale Kontakte. Außerdem lernt man, mit schwierigen Situationen umzugehen,  kritikfähig zu sein und zu seinen Entscheidungen zu stehen. Trotzdem sollte ein Schiedsrichter immer bescheiden bleiben. Nicht er, sondern das Spiel steht im Mittelpunkt!“

Wie die anderen neun vom TFV-Pressesprecher bereits porträtierten Schiedsrichter gewinnt Pierre Leitschuh dem sportlichen Lockdown auch eine positive Seite ab. Er habe in den letzten zwei Jahren viel Kraft und Energie in die nebenberufliche Weiterbildung zum Steuerfachwirt investiert. Derzeit bleibe an den Wochenenden mehr Zeit für die Familie, zur der seine Frau sowie Tochter (11) und Sohn (8) gehören, und für Haus und Garten. Und auch das Radfahren, das er dank eines modernen Drahtesels für sich entdeckt hat, kann nun häufiger betrieben werden.

Wenn die Schiedsrichter wieder auf die Plätze zurückkehren können, ist die Unterbrechung ohne das geliebte Hobby besonders für Pierre Leitschuh wohl nicht die schwierigste Lebensphase gewesen …

Wird fortgesetzt

Hartmut Gerlach