Schiedsrichter 11. 12. 2020

Schiedsrichter der Thüringenliga im Porträt (2)

Unser Anliegen ist es, die 25 Referees dieser Spielklasse in den nächsten Wochen in unregelmäßigen Abständen vorzustellen. Beginnen wollen wir mit den Unparteiischen, die aufgrund ihres Alters in die „erste Elf“ gehören.

Heute (2): Marko Gaßmann – Aufstieg in die Thüringenliga im „hohen Alter“

Marko Gaßmann ist ein Beispiel dafür, dass man durchaus beides tun kann – (erst) Fußball spielen und (danach) Schiedsrichter sein. Denn er war bis zu seinem 32. Lebensjahr selbst aktiv beim SV Friesen 1893 Nohra. Dann sorgte ein Kreuzbandriss für eine längere Zwangspause. „Nach drei Jahren habe ich mich, weil ich weiter Sport treiben und dem Fußball nahe sein wollte, über den Verein zu einer Schiedsrichterausbildung angemeldet. 2008 habe ich die Prüfung abgelegt“, erklärt er seine Motive für das Schiedsen und ergänzt, „wenn ich noch die nächste Saison pfeifen darf, dann hätte ich zehn Jahre im Land geschafft.“ Marko Gaßmann ist heute der Älteste in der Gilde der 25 Unparteiischen, die auf der Thüringenliga-Liste des Thüringer Fußball-Verbandes (TFV) stehen. Sein Aufstieg im, mit Verlaub, „hohen Alter“ gehört keineswegs zu den Selbstverständlichkeiten im Verband.

Fast ist man geneigt, von einer kometenhaften Karriere zu sprechen. Selbst Marko Gaßmann gibt zu, dass sein Weg als Schiedsrichter bis in die höchste Spielklasse des TFV vom Kreis über die damalige Regionalklasse bis in die Thüringenliga sehr schnell verlaufen ist. Dabei habe er bei einem Sichtungslehrgang des Verbandes, in dem der Schiedsrichterausschuss vor allem auf die Jugend gesetzt habe, zwar weit vorn gestanden, aber man habe ihn bedeutet, dass er etwas zu alt sei. Trotz beruflicher Fortbildung schaffte es Marko Gaßmann mit 38 Jahren als Referee in die Landesklasse. Wie es weiterging, erzählt er so: „Im Spieljahr 2013/14 stand ich zur Halbzeittagung unter den 52 Schiedsrichtern der Landesklasse im Mittelfeld. Doch dann lief die Rückrunde sehr gut. Ich war am Ende mit fast 40 Jahren der Beste und bin in die Thüringenliga aufgestiegen. Und der Tenor unter den Kollegen war: Wenn er mit 40 Jahren nach oben kommt, dann hat er es auch verdient.“

Gern erinnert sich der heute 47-Jährige an Spiele wie das zwischen Grün-Weiß Siemerode und dem 1. SC 1911 Heiligenstadt – hier war er vor 1.300 Zuschauern Assistent bei Armin Stollberg -  oder die Pokalpartie Lengefeld unter dem Stein gegen den FC Rot-Weiß Erfurt, die er selbst leitete und wo gleichfalls eine vierstellige Besucherzahl registriert werden konnte.

In der Aufzählung der besonderen Begegnungen nennt Marko Gaßmann auch das Thüringenligaspiel vom 27.08.16 zwischen Glücksbrunn Schweina  und dem FC Eisenach (9:4). Die 13 Treffer sind nach wie vor der Rekord in der Thüringenliga.

Aber auch die Erinnerungen an die aktive Zeit als Kicker sind noch längst nicht verblasst. Da sind zunächst die Jahre in der Jugend von BSG Motor Nordhausen. Der Verein spielte in der DDR-Jugendliga und Gaßmann, ein Allrounder und ein Kämpfer, trat unter anderem gegen den Dresdener Alexander Zickler, der später bei Bayern München berühmt wurde, an. Kurios: Mit Zicklers Vater hat der Autor dieses Beitrags einst in den 60er Jahren bei Motor Barchfeld im Nachwuchs gespielt.

Marko Gaßmann ist gelernter Zimmermann, arbeitet aber seit gut 20 Jahren in der Nordthüringer Werkstatt für Behinderte Menschen (WfBM). Hier ist er Bereichsleiter für Montage, leitet selbst eine Gruppe von 15 behinderten Menschen und ist Vorgesetzter für zwölf weitere Kollegen. Dass er Trainer der Werkstatt-Fußballmannschaft ist, die vor reichlich einem Jahr an einem vom TFV unterstützten WfBM-Hallenturnier in Rudolstadt teilgenommen hat, soll auch nicht unerwähnt bleiben.

Bei Wippertal Nohra,  wie der Gaßmannsche Heimatverein früher hieß, den der Verfasser fälschlicherweise in die Nähe von Weimar verortete – jetzt ist der Ort eingemeindet und gehört zu Bleicherode -  habe er eine sehr schöne Zeit erlebt. So gelang unter anderem 2003 der Hattrick mit dem Gewinn von Meisterschaft und Kreispokal und dem Südharzpokal. Schiedsrichterin des Spiels gegen Bad Sachsa, Meister des Kreises Osterode, war in Nohra übrigens Bibiana Steinhaus, die es ja bis in die Bundesliga schaffte und die erst vor kurzem ihre Laufbahn beendet hat. „Mit ihr habe ich nach dem Spiel sogar noch ein Gläschen getrunken“, blickt Gaßmann lachend zurück.

Und auch die Wipper-Cup-Auswahl ist ihm mit dem Spiel gegen die A-Jugend von Hannover 96 im Gedächtnis geblieben. Da waren Mirko Slomka Trainer und Per Mertesacker einer der Spieler.

Zeit für die Frage nach den Vorzügen des Schiedsrichters Marko Gaßmann. Die beantwortet er so: „Da ich selbst lange gespielt habe, betrachte ich manche Szene etwas anders. Ich bin sehr ehrgeizig und möchte bei meinen Entscheidungen so genau wie möglich zu sein. Und mein Beruf hilft mir dabei, auch den pädagogischen Aspekt auf dem Spielfeld nicht außer Acht zu lassen. Als Schiedsrichter bin ich konsequent und setze die Regeln durch. Da muss ich mich auch nicht umstellen, wenn ein Beobachter draußen steht.“

Im Kreis-Fußballausschuss (KFA) Nordhausen arbeitet er im Schiedsrichter-Lehrstab mit und führt nicht selten Lehrarbende durch.

Der verheiratete Vater von zwei Kindern, die Tochter ist 25 und der Sohn 18 und lebt mit einer sehr seltenen Behinderung, nutzt das derzeitige, coronabedingte Mehr an Freizeit für die Familie. Die freut sich darüber und so sieht man die Gaßmanns viel öfter bei Ausfahrten auf dem Drahtesel als sonst.

Aber natürlich wartet er darauf, bald wieder pfeifen zu können. Schließlich will er als Schiedsrichter auf Landesebene sein persönliches Jubiläum erreichen.

Wird fortgesetzt

Hartmut Gerlach