Schiedsrichter 18. 12. 2020

Schiedsrichter der Thüringenliga im Porträt (5)

Unser Anliegen ist es, die 25 Referees dieser Spielklasse in den nächsten Wochen in unregelmäßigen Abständen vorzustellen. Beginnen wollen wir mit den Unparteiischen, die aufgrund ihres Alters in die „erste Elf“ gehören.

Heute(5): Sebastian Lorenzen – 37-Jähriger genießt jede Begegnung

Was macht ein Verein, wenn er Schiedsrichter sucht? Er geht auf die Aktiven zu. So wie A-Junioren-Trainer Andreas Ratz vom ESV Lok Erfurt das bei Sebastian Lorenzen tat.. „Ich war interessiert und neugierig und habe mich zum Schiedsrichter ausbilden lassen“, erinnert sich der so Angesprochene.

Der hatte bis dahin zehn Jahre Fußball gespielt. Zuerst in der D-Jugend bei Eintracht Erfurt, ab den B-Junioren dann bei Lok Erfurt. Im zweiten Männerjahr entschied sich der 37-Jährige zwar dagegen, einer von elf Kickern auf dem Platz zu sein, aber die Rolle des so wichtigen 23. Manns übernahm er ab sofort gern.

Dankbar ist er Frank Kellnhofer, selbst Unparteiischer im Stadt-Fußballausschuss (KFA) Erfurt. Der stand nach der erfolgreichen Prüfung 2001 von Lorenzen oft bei ihm am Spielfeldrand und hat die jeweilige Partie mit dem jungen Mann hinterher ausgewertet.

Der Weg von Sebastian Lorenzen führte rasch nach oben. Schon drei Jahre nach seinem Einstand als „Herr“ über zwei Mannschaften war er in der Landesklasse angekommen. Auch dank der Unterstützung und Hilfe von Jürgen Muscat, Swen Eichler und dem leider schon verstorbenen Roman Hanus.

2012 durfte er das erste Spiel in der Verbandsliga pfeifen. Es war die Partie zwischen dem SC Leinefelde 1912 und dem BSV Eintracht Sondershausen (0:1) am 1. August 2012. Vielleicht wäre ihm der Sprung dorthin noch ein wenig schneller gelungen, wenn Lorenzen nicht fast fünf Jahre, von Januar 2007 bis Dezember 2011, im Bundesland Baden-Württemberg zuhause gewesen wäre. Hier absolvierte er seine Ausbildung zum Patent – und Rechtsanwalt-Fachangestellten und ist seit 2012 als Sachbearbeiter in einer Erfurter Patentanwaltskanzlei tätig. Er habe in der Schiedsrichtergruppe Esslingen in derselben Spielklasse wie in Thüringen gepfiffen, mit dem Unterschied, dass die statt Landesklasse wie im TFV in Baden-Württemberg Landesliga hieß. Hier sei er zum Beispiel Assistent eines Spiels gewesen, bei dem 4.500 Zuschauer (!!) die Relegation in die Kreisliga A miterlebten. Auch ein Spielabbruch im Raum Nordhausen, als ein Besucher den Torhüter bedrängte, zählt zu den Erinnerungen von Sebastian Lorenzen. So etwas erlebe kein Schiedsrichter gern, sagt er und wird dabei sicher auf viel Zustimmung bei seinen Kollegen treffen.

Es ist der Zeitpunkt im Gespräch, die Stärken des Porträtierten zu erfragen. Lorenzen ziert sich nicht lange und schließt in seine Antwort auch ein, wie er an Spielleitungen herangeht: „Ich bin so wie viele in dieser Klasse ein kommunikativer Unparteiischer. Ich habe gegenüber keinem Spieler Vorurteile und behandele alle gleich. Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, werfe ich auch nicht mit Karten um mich. Und ich gehe mit der Prämisse in eine Begegnung, sie zu genießen und sich selbst nicht so einen Druck aufzubauen. Das habe ich vor allem als Assistent in höheren Spielklassen gelernt. Neben der Konzentration, die man in jeder Partie haben muss, geht es auch darum, Spaß zu haben.“

Sebastian Lorenzen würde sich zwar freuen, wenn sich die Tür für die Oberliga öffnen würde. Aber er ist mit seinen 37 Jahren Realist genug, um selbst einzuschätzen, dass der Zug in eine höhere Leistungsklasse, die eine reizvolle Aufgabe wäre, wohl abgefahren ist. Und er weiß auch, dass der Zeitaufwand dann deutlich größer werden würde. Das möchte sich der Mann aus Klettbach mit Familie – dazu gehören seine Frau und zwei Kinder im Alter von zwei und sechs Jahren – dem Beurf, einem Haus, Garten und einem Hund nicht wirklich antun. „Das Gesamtpaket muss passen und es wäre nicht fair gegenüber denen, die bessere Möglichkeiten haben, dies von der Leistung und vom Zeitaufwand umsetzen zu können“, macht er einen Schlusspunkt unter dieses Thema.

Dennoch ist der ehrenamtliche Part von Lorenzen, der derzeit für den SV Concordia Riethnordhausen pfeift, nicht „nur“ auf die Leitung eines Spiels am Wochenende beschränkt. Im Kreis-Fußballausschuss (KFA) Erfurt-Sömmerda ist er Mitglied des Schiedsrichterlehrstabs und steht als Beobachter für junge Unparteiische zur Verfügung. Und wenn es passe, sei er auch beim Coaching mit dabei und betreue Schiedsrichter-Anfänger. Ein- bis zwei Mal im Jahr filmt er Szenen aus Spielen von Nachwuchsschiedsrichtern und stellt sie dann bei Lehrabenden als „Sequenzen aus der Praxis“ vor.

In Erinnerung geblieben ist ihm auch das Pokalhalbfinale zwischen dem FC Saalfeld und Wismut Gera, dem 1.500 Zuschauer beiwohnten. Er musste nur drei Gelbe Karten zeigen und die Besucher konnten sich an gutem Fußball erfreuen.

Natürlich gewinnt er der Corona-Pause, in der er ab und an mal joggt, auch Positives ab, wenn er an das Mehr an Zeit mit der Familie denkt. „Aber die Fahrten zu den Spielen im Team machen viel Spaß. Und schließlich ist kein Spiel wie ein andres. Man erlebt immer wieder mal etwas Neues und Unerwartetes. Mir fehlen auch die Gespräche mit den Kollegen oder mit Leuten, die man lange nicht gesehen hat“, hofft er so wie alle Unparteiischen, dass Corona bald nur noch ein Stück Geschichte ist.

Wird fortgesetzt

Hartmut Gerlach