Schiedsrichter 24. 11. 2023

Im Porträt Oliver Lossius: Wenn sich Väter kennen

Heute: Oliver Lossius (XIV)

Seit seinem 5. Lebensjahr hat Oliver Lossius Fußball gespielt. „Diese Sportart war schon immer meine Leidenschaft“, betont er. Doch dann kam ein Trainerwechsel. Bis dahin hatte sein Vater die Übungsleiterrolle inne, und nun ging der Spaß ein Stück weit verloren, zumal er auch auf anderen Positionen eingesetzt wurde.

In dieser Zeit kam der Zufall zu Hilfe. Stefan Weber, damals Referee in der 2. Bundesliga und heute Lehrwart im Verbandsschiedsrichterausschuss, regte als Arbeitskollege von Olivers Vater an, dass es der Filius doch einmal mit dem Schiedsen versuchen solle. Gesagt, getan und mit 14 Jahren erwarb der junge Kicker die Qualifikation eines Schiedsrichters. Schon damals hatte er die Vorzüge für einen Unparteiischen in seinem Alter erkannt: „Man bleibt dem Fußball erhalten, kommt herum, lernt verschiedene Sportplätze und Vereine kennen und kann sein Taschengeld aufstocken.“

Rasch fand Oliver Lossius Freude an diesem Ehrenamt, auch, weil es relativ schnell für ihn nach oben ging. Nach nur wenigen Spielleitungen im Kreis führte er bereits Bezirksligamannschaften aufs Feld. Schon 2008/09 beschritt er den Weg in die Landesklasse, ein Jahr später war er Referee in der Landesliga. 2010/11 wurde er Unparteiischer in der Oberliga. In der Saison 2011/12 stand er auf der Liste der Regionalliga-Schiedsrichter. 2016 folgte die Einstufung in die 3. Liga. Hier pfiff er vier Jahre und wurde bereits als Assistent in der 2. Liga eingesetzt.

So ganz genau weiß der heute 33-Jährige nicht, wer im „Hintergrund“ die Fäden für seine erfolgreiche Karriere geknüpft hat. Nach kurzem Überlegen nennt er Thomas Hildebrandt, einen Landesliga-Schiedsrichter, der ihn bei seinem ersten Männerspiel beobachtet hat. Mit ihm und auch mit Roland Hillig, mit dem er in vielen Spielen zusammen war, ist er immer noch befreundet. Bestimmt habe auch Jürgen Muscat als ehemaliger Schiedsrichterobmann des Westthüringer Fußballbezirkes (WTFB) eine Aktie an seiner Entwicklung.

Dann gab es eine Änderung in der sportlichen Biographie des Mannes, der für den BSV Eintracht Sondershausen pfeift und beruflich bei einem Investor arbeitet. In der 1. und 2. Bundesliga wird es ab der kommenden Saison nach einer Festlegung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nur noch Schiedsrichter oder nur noch Assistenten geben.

Welche Folgen dies für ihn hat, erklärt Oliver Lossius so: „Für mich wurde die Entscheidung getroffen, dass keine Perspektive als Schiedsrichter in den beiden Bundesligen besteht. Deshalb habe ich den Weg der Spezialisierung als Assistent eingeschlagen. Das bedeutet, dass ich jetzt spezialisierter  Assistent in der 2. Liga und hauptsächlich Videoassistent für die 1. und 2. Liga bin. Ich habe auch den Platz in der Regionalliga freigemacht und bin ‚nur’ noch formal in der Oberliga eingestuft.“

Damit sind wir schon bei der Frage nach den Stärken des Schiedsrichters Oliver Lossius. Die sieht er so: „Ich kann sehr schnell auf der Basis einen guten Wahrnehmung eine sichere Entscheidung treffen. Außerdem habe ich, das ist für mich der Kern, ein gutes Gespür dafür, wie sich ein Spiel entwickelt. Darüber hinaus kann ich auf eine extrem hohe Quote für objektiv richtige Entscheidungen verweisen.“

Nicht immer steht man als Schiedsrichter auf der Sonneseite. Das musste Oliver schmerzlich beim ersten Oberligaspiel als knapp 19-Jähriger an der Linie bei Michael Wilske erfahren. Im Derby VfB Auerbach gegen den FSV Zwickau wollten die Zuschauer der Zwickauer nicht mit dem Linienrichter bei dessen Entscheidung auf Tor für Auerbach „mitgehen“. Da sei alles geflogen gekommen, angefangen von gefüllten Bierbechern bis sonst etwas, erzählt er. Es gab extreme Anfeindungen und letztlich sogar Drohbriefe an seine Heimatadresse. „Gerade beim Eingriff in die Privatsphäre denkt man dann schon einmal über die Schiedsrichterei nach“, sagt er. Doch er ist dabei geblieben und gehört heute zu den Spitzenreferees in Thüringen.

Zeit für Hobbys bleibt für den jungen Vater, der sich seit neun Monaten über einen kleinen Sohn freut, mit dem er ganz viel Zeit außerhalb von Job und Ehrenamt verbringt, kaum. Gern reist er auch in fremde Länder oder treibt Sport.

Selbstbewusst verkündet er auch sein Ziel, um das er kein Geheimnis macht. „Ich will als Assistent in die Bundesliga. Dafür gebe ich alles. Ich möchte auf jeden Fall zehn Jahre, 2016 bis 2026, im Profifußball voll machen. Man muss sehen, ob das gelingt“, blickt er durchaus optimistisch in die Zukunft. Bestimmt würden sich sowohl sein Vater als auch Stefan Weber darüber freuen, wenn es funktioniert.

Hartmut Gerlach