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Nachdem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gestern (20.10.22) sein „Lagebild der Saison 2021/22“ über Gewalt- oder Diskriminierungsvorfälle, das er seit 2014 auf Basis der Online-Spielberichte der Unparteiischen erhebt, veröffentlicht hat, ist heute ein offner Brief des Schiedsrichterausschusses des Kreis-Fußballausschusses ( KFA) Westthüringen erschienen,
Er sei, so Initiator Martin Falk, im KFA verantwortlich für Jugendansetzungen und Öffentlichkeitsarbeit, die Reaktion auf die kürzlichen Vorfälle in Westthüringen. Gerichtet ist er an Spiele, Funktionäre, Eltern und alle Freunde des Fußballs.
Er hat diesen Wortlaut:
Werte Spieler & Spielerinnen,
werte Trainer & Trainerinnen,
werte Funktionäre, Spielerbetreuer, Teammanager,
liebe Eltern & alle Freunde des Fußballsports,
unsere Gesellschaft und die Weltpolitik allgemein befinden sich in schwierigen Zeiten. Nachdem die Corona-Pandemie uns alle nicht nur vor harte Proben gestellt und auch das Vereinsleben und unseren geliebten Sport nahezu zum Erliegen gebracht hat, kam ein nahezu unglaublicher Angriffskrieg in Europa mit den einhergehenden weltweiten Folgen dazu. Es sind unsichere Zeiten und nichts scheint mehr so, wie wir es noch vor wenigen Monaten und Jahren für normal gehalten haben.
Der Fußball und der Sport allgemein waren seit jeher ein Bindeglied unserer Gesellschaft. Herkunft, Alter, Aussehen und Religion – all das sind Kriterien, die für ein sportliches Miteinander keine Rolle spielen. Die soziale Bedeutung des Fußballs, gerade im Amateurbereich, ist unbestritten, denn am Wochenende finden sich Mitglieder aus jeder gesellschaftlichen Schicht auf den Sportplätzen wieder.
Nun las man in der Vergangenheit oft von immer mehr und stärker werdenden Aggressionen gegenüber Schiedsrichtern auf den Sportplätzen Deutschlands. Ob Berlin, Frankfurt oder München – diese Fälle waren für uns immer weit weg. Doch auch auf den Sportplätzen Thüringens kam es in der jüngeren Vergangenheit zu immer krasser werdenden Situationen, die so nicht mehr akzeptiert werden können!
Erst Anfang Oktober ging der tätliche Angriff auf einen Schiedsrichterfreund in Hildburghausen durch die Medien, bei dem der Sportfreund mit einem Faustschlag durch einen Zuschauer niedergestreckt wurde und stationär behandelt werden musste. Und auch bei uns in Westthüringen mussten wir seit Saisonbeginn schon 3 (!!!) Sportgerichtsverhandlungen erleben, die sich mit feindlichen Angriffen auf Schiedsrichter auseinandergesetzt haben.
So wurde ein junger Schiedsrichter in Mechterstädt bei einem Jugendspiel von einem Gästetrainer nach einer persönlichen Strafe gegen einen Spieler am „Schlafittchen“ gepackt und durchgeschüttelt, was einen sofortigen Spielabbruch zur Folge hatte.
In Kieselbach musste der Schiedsrichter ein Spiel abbrechen, weil er von einem Zuschauer auf Leib und Leben bedroht wurde und ein sicheres Verlassen des Platzes nicht mehr gewährleistet war.
Auch in Leimbach wurde ein Spiel nach zutiefst persönlichen diffamierenden Beleidigungen gegenüber dem Schiedsrichter abgebrochen. Der Gipfel geschah nun am vergangenen Wochenende in Barchfeld, als einer der erfahrensten Schiedsrichter unseres Kreises ebenfalls tätlich von einem Zuschauer angegriffen wurde und zur ärztlichen Kontrolle ein Krankenhaus aufsuchen musste.
Wir, als Schiedsrichterausschuss des KFA Westthüringen, fühlen uns nun in der Pflicht, uns schützend vor unsere Schiedsrichter:innen zu stellen und können bzw. werden solche Taten nicht mehr akzeptieren und tolerieren!
Was muss noch passieren? Ist wirklich jedem bewusst, dass ohne Schiedsrichter:innen die schönste Nebensache der Welt gar nicht möglich ist? Wir sind ein Teil dieses Sports und verdienen die gleiche Wertschätzung, den gleichen Respekt und das gleiche Fairplay, wie es jedem anderen zu Teil wird. Ohne uns ist all das, was Spieler, Trainer und Zuschauer an den Wochenenden auf die Sportplätze lockt, nicht möglich. Ohne uns gibt es keinen Fußball!
Wir Schiedsrichter sind selbstkritisch genug, um zu wissen, dass wir nicht fehlerfrei sind. Wir sind Menschen. Uns passieren Fehler. Uns passieren manchmal auch spielentscheidende Fehler. Aber es fragt sich doch: Sind wir die einzigen, die Fehler machen?
Die Antwort ist Nein. Ein Torwart lässt einen Ball durchrutschen, ein Verteidiger schießt ein Eigentor oder ein Stürmer spielt Fehlpässe. Wie im echten Leben ist Irren menschlich. Und genau das sind wir Schiedsrichter: Menschen.
Doch der grenzwertige Umgang mit unseren Schiedsrichter:innen führt dazu, dass das Schiedsrichter-Dasein kein attraktives Hobby mehr ist. Nachwuchs zu finden, ist immer schwerer, was nicht am Sport an sich liegt, sondern an den Anfeindungen, die gerade junge Schiedsrichter:innen mittlerweile auf den Sportplätzen befürchten müssen.
Der Schiedsrichterausschuss KFA Westthüringen wird nicht zum Streik der Schiedsrichter oder zum gänzlichen Boykott ganzer Spieltage aufrufen. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Lösung für die Verrohung des Umgangs nur im Dialog passieren kann. Keiner von uns fordert einen Strafenkatalog oder steigende finanzielle Entschädigungen für unser Hobby.
Das Einzige, was wir fordern – und das tun wir vehement – ist, dass wir zu den Grundfesten einer modernen Gesellschaft und zu den Säulen des sportlichen Miteinanders zurückkehren: RESPEKT, FAIRNESS und WERTSCHÄTZUNG des Gegenübers. Gewalt darf und wird nie eine Lösung sein!
Liebe Vereinsvertreter, Trainer, Spieler, Eltern und Fans, wir möchten keine Schuldzuweisungen. Wir Schiedsrichter sind Teil dieses wunderbaren Sports und üben unser Hobby voller Spaß, Freude und Engagement aus. Und das werden wir auch weiter tun. Helft uns und helft euch dabei, dass wir zu einem respektvollen Umgang bei allem nötigen sportlichen Ehrgeiz und Wettbewerb zurückkehren. Seid Vorbild für eure Kinder und stoppt sofort beleidigende Äußerungen gegenüber den Unparteiischen! Seid Vorbild für Jedermann und geht sportlich fair mit uns aber auch mit euren Mitmenschen auf den Sportplätzen um. Behandelt alle auf euren Sportplätzen so, wie ihr selbst behandelt werden wollt. DAS ist unser Aufruf.
gez.
Martin Falk
Jugendansetzungen & Öffentlichkeitsarbeit
KFA Westthüringen
Foto: Symbolbild von Karina Heßland-Wissel (TFV-Pokalfinale 21.05.22)
F.d.R. Hartmut Gerlach
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