Schiedsrichter 08. 01. 2021

Schiedsrichter der Thüringenliga im Porträt (13)

Unser Anliegen ist es, die Referees dieser Spielklasse in den nächsten Wochen in unregelmäßigen Abständen vorzustellen. Wir setzen unsere Serie mit der Gruppe der „mittleren Generation“ der Thüringenliga-Schiedsrichter fort. Sie sind zwischen 29 und 34 Jahren alt.

Heute (13): Sebastian Blasse – Aussicht auf mehr Taschengeld vor 16 Jahren als Motivation

Die Fußballwelt in Thüringen ist klein. Uwe Coccejus, seit dem 23. Juli 2019 Leiter der Arbeitsgruppe (AG) Sicherheit und Fair Play im Thüringer Fußball-Verband (TFV), ist, wie Sebastian sagt, der beste Kumpel seines Vaters. Coccejus, seit 1999 Unparteisicher und 2016 im Rahmen der DEKRA-Aktion „Danke Schiri“ sowohl vom TFV als auch vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) geehrt, sprach den 14-jährigen Blasse-Filius an, ob er nicht Unparteiischer werden und sich so ein wenig das Taschengeld aufbessern wolle. Nicht ganz uneigennützig, denn der TSV Kerspleben, bei dem Sebastian selbst aktiv Fußball spielte, hatte Schiedsrichtermangel. Zusammen mit zwei Freunden ließ sich er sich ausbilden, wobei Sebastian die Tätigkeit als Schiedsrichter zunächst nur „nebenbei“ betrieb und bis 19 Jahren weiter an den Ball trat.

Doch Blasse überzeugte auch als Referee. Aber noch stand er seinem Verein auch als Aktiver zur Verfügung. Mit Freunden hob er sogar eine neue 2. Mannschaft aus der Taufe und stieg mit der innerhalb von vier Jahren drei Mal auf.

Seinem raschen Aufstieg als Schiedsrichter in die Regional - folgte der 2012 in die Landesklasse. Das war das Jahr, in dem er die Fußballschuhe endgültig an den berühmten Nagel hing, obwohl der damalige Trainer in der Kreisoberliga von ihm überzeugt gewesen sei. Nun hatte das Schiedsrichterwesen endgültig Priorität, wozu ihn die Begleitung von Uwe Coccejus und vor allem die Fahrten mit Swen Eichler, der Blasse nach eigenen Worten geprägt hat, als Assistent in der Landesliga motivierten.

Weiter voran in der Entwicklung brachte den Erfurter auch die Zeit in der TFV-Fördergruppe „Rennsteiger“. So erreichte er 2017/18 den Aufstieg in die Verbandsliga. Das erste Spiel war das zwischen Glücksbrunn Schweina und der SpVgg. Geratal (2:1). Darüber und auch über seine anderen Begegnungen als Schieds- oder Linienrichter führt er keine persönliche Statistik. Der heute 30-Jährige schätzt die Zahl der Einsätze seit 2004 auf ca. 870.

Zwei Begegnungen bleiben in besonderer Erinnerung. Da ist zunächst das Landesklasse-Match zwischen ISO Neuhaus-Schierschnitz und Grün-Weiß Steinbach-Hallenberg am 20.10.13. In dieser Partie zeigt er gleich 14 Mal die Gelbe Karte. „Da war ich richtig überfordert und bin völlig baden gegangen“, gibt er heute mit dem Abstand von mehr als sieben Jahren ehrlich zu. Hinterher gab es eine lange Auswertung mit dem Beobachter und eine Unterhaltung mit dem heutigen Schiedsrichterkollegen Reinhard Meusel, der damals im Tor der Gastgeber stand. Auch „Rennsteiger“-Chef Peter Weise führte mit Blasse ein ausführliches Gespräch. Dieses Negativerlebnis habe ihn geprägt und er habe seine Schlüsse gezogen, sagt er rückblickend. Jetzt sei er einer der Unparteiischen, die mit wenigen Verwarnungen auskommen. „Ich denke jetzt mehr nach, bevor ich eine Karte zücke“, erklärt er seine Strategie auf dem Feld.

Als positive Erfahrung hat er das Viertelfinale im Landespokal zwischen Wismut Gera und Wacker Nordhausen am 11.11.17 – hier war er mit Julian Göpfert Assistent von Daniel Bartnitzki - verinnerlicht. „Das war ein richtig gutes, temporeiches Spiel mit Verlängerung und Elfmeterschießen,  reichlich verbaler Kommunikation, auch mit den Trainerbänken. Das hat viel Spaß gemacht.“

Der Frage nach den eigenen Stärken weicht Sebastian Blasse nicht aus. Er beantwortet sie vielmehr ausführlich: „Ich bin sehr ehrgeizig, will immer mein Bestes geben und gehe voll konzentriert an meine Aufgabe. Aber das schließt nicht aus, dass man humorvoll ist. Ich leite gern in einer lockeren Art. Es ist ja immer noch unser Hobby. Und wenn ich mal einen Fehler mache, gebe ich den auch zu. Wenn ich ehrlich zu den Spielern bin, sind sie das ebenfalls und entschuldigen sich schon mal für eine Aktion. Ich habe viel mit Shakehands gearbeitet und bin damit gut gefahren. Dabei weiß ich aber auch, dass das manchmal in die falsche Richtung gehen kann. Doch das nehme ich in Kauf. Mir ist auch die Meinung meiner Assistenten, die nicht so oft wechseln, nach einer Partie wichtig. Deshalb werte ich sie mit ihnen aus. Wir leiten ja das Spiel gemeinsam.“ Für Sandy Hoffmann, Mitglied im Schiedsrichterausschuss des Verbandes, ist Blasse zu einer Persönlichkeit gereift. Dadurch gelinge es ihm anders als früher seine Spiele exakt zu analysieren. „Er ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse, „ sagt Hoffmann.

Schauen wir auf seine berufliche Vita, das familiäre Umfeld und weitere Funktionen im Ehrenamt. Nach der Ausbildung zum Elektriker ruhte sich Sebastian Blasse nicht auf seinen Abschluss aus und qualifizierte sich zum Techniker. Sein Arbeitgeber ist die KoWo, die Kommunale Wohnungsgesellschaft mbH Erfurt, wo er als Fachplaner für Elektrotechnik tätig ist. Der ledige Vater einer knapp einjährigen Tochter sagt, dass sich durch die Geburt des kleinen Mädchens einiges verändert habe. „Ich trete im Allgemeinen etwas kürzer und bin auch im Kreisschiedsrichter-Ausschuss (KSA) Erfurt nicht mehr so aktiv wie früher. Dennoch führe ich Beobachtungen im Kreis durch und begleitete junge Schiedsrichter als Pate bei ihren ersten Spielen. “

Zwei Jahre leitete er hier die Nachwuchsgruppe im Fußballkreis Erfurt-Sömmerda. Zuletzt hat er Julian Göpfert dabei begleitet. Im Verein trainiert der C-Lizenz-Trainer mit zwei anderen Mitgliedern sehr erfolgreich zwei Junioren-Mannschaften.

Der Erfurter würde in die Oberliga reinschnuppern, wenn sich die Möglichkeit bietet. Aber er ist mit der Thüringenliga zufrieden und will gern noch einige Jahre hier pfeifen.

Zeit, noch andere Hobbys zu pflegen, bleibt Sebastian Blasse, wenn Corona nicht alles bestimmt, nur wenig. Neben dem dreimaligen Nachwuchstraining und zwei Jugendspielen am Wochenende sowie mindestens einem Einsatz als Schiedsrichter – oft werden es mehr und er übernimmt auch schon mal bei Anrufen des Kreisschiedsrichteransetzers am späten Freitagabend kurzfristig Spielleitungen – ist seine Freizeit völlig ausgefüllt. Manchmal reicht sie noch zum Schwimmen oder Fahrradfahren. Keine Luft lässt er jedoch an das Volleyballspiel am späten Sonntagabend mit Freunden. Und durch die Pandemie hat er Darts für sich entdeckt.

Was macht Corona mit Sebastian Blasse? Er sagt uns: „Ich merke eigentlich Corona gar nicht, weil ich weder im Beruf noch im Familienleben Einschränkungen habe. Das einzige ist das Hobby, das komplett ruht. Meine Freundin sagt, dass ich deshalb unausgeglichen sei. Ich brauche eben die Bewegung nach der Büroarbeit, sonst kriege ich die ‚Krise“. Deshalb gehe ich regelmäßig mit dem Hund raus und jogge. Aber auf Dauer ist das doch nichts.“

Die Entschädigung als Schiedsrichter ist auch nach 16 Jahren weiterhin kaum mehr als ein Taschengeld. Es reicht noch nicht mal für ein Essen mit der Freundin in einem guten Restaurant. Aber Sebastian Blasses Motivation, Schiedsrichter zu sein, hat, wie bei den meisten Unparteiischen in seinem Alter längst keinen finanziellen Hintergrund mehr.

Die Serie über die Schiedsrichter der Thüringenliga wird am 11.01.21 mit dem Porträt von Marko Linß fortgesetzt.

Hartmut Gerlach