Halle Junioren 10. 02. 2020

„Was wäre der heutige Tag ohne den SC 1910 Vieselbach“

Für den Hallensprecher in der OSPA-Arena Rostock gab es keinen Zweifel, wem die besonderen Sympathien der Endrunde um die Hallenmeisterschaft des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) bei den B-Junioren am Samstag (08.02.20) gehörten. „Was wäre dieser Tag ohne den SC 1910 Vieselbach“, rief er ins Mikrofon und meinte damit sowohl die sportliche Leistung des Underdogs aus Thüringen als auch die Unterstützung des Hallenmeisters des Thüringer Fußball-Verbandes (TFV).

Zahlreiche Eltern und, wie uns Trainer Ron Möller sagte, mit dem wir am Sonntagnachmittag auf der Raststelle unweit von Neuruppin telefonierten, 15 ältere Herren saßen mit im Bus, der sich am Freitag um 14 Uhr gen Norden in Bewegung setzten. Noch einmal knapp 20 Unterstützer reisten am Samstagmorgen nach.

Die Kosten für das Unternehmen NOFV-Meisterschaft wurden durch Förderer erbracht. So hatte sogar eine Bäckerei Landesmeister-Brötchen hergestellt und der Mannschaft zwei Drittel der Einnahmen gespendet. Hinzu kamen geschäftliche und private Sponsoren, ein Eigenanteil der Teilnehmer sowie ein Zuschuss des TFV. Letzteres hatte das Präsidium per Beschluss für alle Thüringer Teilnehmer an NOFV-Meisterschaften entschieden.

Die mitgereisten Anhänger erlebten eine Mannschaft, die, wie die vier anderen, nur gegen den souveränen und unangefochtenen NOFV-Hallenchampion Tennis Borussia Berlin (5. Regionalliga) relativ chancenlos waren. „TB war einfach das reifste Team und wurde verdienter Sieg. Aber die restlichen Mannschaften spielten auf Augenhöhe. Hier haben Kleinigkeiten entschieden. Da konnte jeder jeden schlagen“, resümiert der Vieselbacher Coach, der die ganzen Jahre von Jens Gießler als Co-Trainer unterstützt wird und mit ihm auf einer Wellenlänge funkt.

Dass seine Mannschaft als Außenseiter dabei eine so gute Rolle spielen würde, freut Möller, der die Jungs seit den G-Junioren betreut und seit 15 Jahren Trainer mit B-Lizenz ist, natürlich. Immerhin bestand die Konkurrenz durchgängig aus höherklassigen Vertretungen: FC Mecklenburg-Schwerin (2. Verbandsliga), VfB Germania Halberstadt (5. VL), 1. FC Frankfurt/Oder (5. VL) und Bischofswerdaer FV (9. VL). Da ist man, selbst als Spitzenreiter der Kreisoberliga Erfurt-Sömmerda in einem solchen Turnier keineswegs der Favorit.

„Die Leistung der Spieler war riesig und wir haben in der letzten Partie mit dem 4:0 über Bischofswerda sogar noch für Veränderungen auf dem Podest gesorgt“, blickt der 41-Jährige Gymnasiallehrer für Sport und Geschichte an der Edith-Stein-Schule Erfurt zurück. Deshalb hielt sich der Ärger über den verpassten 3. Platz in Grenzen.

Für die Mannschaft aus dem äußersten Osten der Landeshauptstadt mit etwas mehr als 2.100 Einwohnern war das gesamte Wochenende ein unvergessliches Erlebnis. Das reichte vom gemeinsamen Aufenthalt mit zwei Übernachtungen in einem kleinen Rostocker Hotel, über das Turnier bis zum Abend danach und der fröhlichen Heimfahrt. Und dass ihr Trainer bei 5,1 Grad Wassertemperatur (!!) am Strand von Warnemünde ein kurzes Bad in der Ostsee nahm, bleibt sicher auch in Erinnerung.

Davon wird der Kreisoberligist, der nach dem Nachwuchsleistungszentrum von RWE und Verbandsligist FC Erfurt Nord die dritte Kraft in der Stadt ist, sicher noch lange zehren. Selbst wenn der Aufstieg schwierig sein könnte. Das hängt weniger mit dem älteren B-Junioren-Jahrgang und Thüringer Hallenlandesmeister zusammen. Vielmehr geht es darum, ob es im Verein eine schlagkräftige Mannschaft aus B-Junioren 2020/21 in der Verbandsliga geben wird, da die meisten Vieselbacher dieser Altersklasse in der kommenden Saison bei den A-Junioren spielen werden.

Ron Möller ist nicht nur Fußballtrainer mit Leib und Seele. Auch in seinen Beruf investiert er viel Herzblut. Das imponiert dem Verfasser nach knapp 38-jähriger Lehrertätigkeit besonders, wobei er das Ehrenamt ebenso immer erst nach der Arbeit in der Schule ausüben kann. So fanden wir aus dem Jahre 2011 zwei Artikel in der „Thüringer Allgemeine“ (TA), die zeigten, dass der Gymnasiallehrer nicht „nur“ seine Stunden abhält. Vor acht Jahren motivierte er seine Schüler zur Teilnahme am Rennsteiglauf. Damals stellte die Edith-Stein-Schule die einzige Schülerriege bei diesem Lauf. Ron Möller war natürlich selbst mit dabei. Mittlerweile hätten die Schüler, auch ehemalige, die Organisation selbst in die Hand genommen, freut sich der Pädagoge darüber, dass das mit der „Hilfe zur Selbsthilfe“ so gut funktioniert hat.

Ron Möller hat natürlich selbst Fußball gespielt. Viele Jahre war er beim FC Rot-Weiß Erfurt im Nachwuchs aktiv, war hier unter anderem auch Teamgefährte von Norman Loose, mittlerweile Landesauswahltrainer beim Verband. Seine Erfahrungen sind es wohl, wenn sich junge Spieler zu früh auf eine Profikarriere fokussieren, so zu argumentieren: „Der Leistungssport ist sehr hart. Nur wenige schaffen den Sprung nach ganz oben. Ich plädiere für eine möglichst gute fußballerische Entwicklung, wobei es zuerst um Bildung und dann um Hobby und Spaß geht. Dann kann man sich für Studium oder Lehre in manchen Vereinen vielleicht noch etwas dazu verdienen.“

Mittlerweile sind die Rand-Erfurter wieder gut zuhause angekommen. Der Wind war unterwegs nicht so schlimm. Aber der SC 1910 geht nach den drei Tagen an der Ostsee wohl mit viel (Rücken) -Wind in die Rückrunde der Kreisoberliga.

Fotos: Verein

Hartmut Gerlach